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Gesundheit zwischen Technologie und Fürsorge

Künstliche Intelligenz erstellt verlässliche Diagnosen, Roboter operieren immer präziser und Patienten werden virtuell betreut. Und wo bleibt der Mensch? Ein hochkarätiges Podium des Forums Kirche und Wirtschaft widmete sich im Kloster Kappel am Albis dem Spannungsfeld zwischen technologischer Machbarkeit, ethischer Verantwortung und menschlicher Fürsorge.

Bereits zum 27. Mal lud die Fachstelle Forum Kirche und Wirtschaft der katholischen Kirche Kanton Zug zu einer Veranstaltung in der Reihe «Wirtschaft und Werte» ein. Über 130 Gäste liessen sich von einem prominent besetzten Podium inspirieren. Mit einer Besinnung zu drei biblischen Heilungsgeschichten stimmte der Psychiatrieseelsorger Johannes Utters im Zusammenspiel von Wort und Musik das Publikum auf das Thema Gesundheit ein.

Den Impuls zur Eröffnung des Abends lieferte Ludwig Hasler, der als Physiker, Philosoph und Publizist aus dem Vollen schöpfen konnte. Mit der Feststellung «Alle halten mich für unverwüstlich, aber alle im Spital kennen mich» spannte der 81-Jährige humorvoll den grossen Bogen zum Thema Gesundheit und dem dreifachen Lob, zu dem er referierte: Dem Lob der Medizin, dem Lob der Endlichkeit und dem Lob der Gelassenheit.

Ludwig Hasler, Physiker, Philosoph und Publizist. Foto: Thomas Müller

Plädoyer für die Menschlichkeit

Dank den Fortschritten der Medizin hat sich die Lebenserwartung innerhalb des vergangenen Jahrhunderts beinahe verdoppelt. Darin sieht Hasler auch ein Problem, «denn statistisch gesehen serbeln wir die letzten 10-12 Jahre des Lebens herum». Was einerseits eine Lebensverlängerung bedeute, löse auch Entwicklungen wie Longevity aus, welche die Gesundheitsspanne verlängern will. «Die technische Entwicklung sehe ich positiv, sie stellt jedoch die Frage, wie man eine sinnvolle Symbiose zwischen medizinischer Diagnostik und Therapie bilden kann. Bei Letzterer soll der Mensch die Oberhand behalten.» Medizin, so Hasler, soll der Stärkung des Lebens dienen und nicht Selbstzweck sein.

Die Endlichkeit des Lebens

Die Gegenwart sieht Ludwig Hasler kritisch, «weil die alternde Wohlstandsgesellschaft die Vertikale verloren hat.» Mit dem Wegfall der metaphysischen oder religiösen Ebene sei das Alter nicht mehr Übergang, sondern Endstation. Dies führe dazu, dass man rausholen wolle, was das Leben noch hergebe und dass die Gesundheit letzter Lebenszweck werde. «Der Glaube hat konkrete Folgen für das Leben» betonte der Referent mehrfach «und wenn wir uns unserer Endlichkeit nicht bewusst sind, verliert jede Minute im Leben ihre Bedeutung.»

Gelassenheit und Glaube

Für Ludwig Hasler ist das Schicksal eher ertragbar, wenn der Glaube eine Rolle spielt. «Die Hoffnung, mit der Modernisierung dem Schicksal zu entkommen, ist ein Projekt zur Abschaffung des Schicksals.» Wo Menschen das Schicksal abschaffen, würden sie selbst Schicksal spielen und sich eine Verantwortung aufbürden, die zu tragen sie gar nicht imstande seien. «Menschen sind keine Götter, wir überblicken die Folgen dessen nicht, wenn wir schicksalshaft eingreifen.» Gelassenheit und Trost gibt es für Hasler nur in Verbundenheit mit einer Resonanz, dem Glauben oder einer metaphysischen Ebene, die unverfügbar sind.

Über 130 Leute liessen sich vom Referat und dem Podium inspirieren. Foto: Thomas Müller

Menschlichkeit der Medizin


Die ehemalige Regierungsrätin und Präsidentin der Stiftung für Patientenorganisation, Susanne Hochuli, moderierte das anschliessende Podium. Im Gespräch waren Basil Caduff, der über 20 Jahre lang Chefarzt am Spital Limmattal war, Luca Emmenegger, Oberarzt und Palliativmediziner am Zuger Kantonsspital, der Psychiatrieseelsorger Johannes Utters und eine Mutter, deren Kind 13 Monate nach der Geburt an einem Hirntumor starb.

Die Diskussion zeigte auf, wie hilfreich einerseits die heute zur Verfügung stehenden technischen und medizinischen Möglichkeiten sind, gleichzeitig aber menschliche Faktoren wie Empathie heilsam wirken. «Als Seelsorger im Spital kann ich ein Luxusgut anbieten: Zeit und Gespräche», verwies der Psychiatrieseelsorger Johannes Utters auf die stille Rolle der Seelsorge im Spital- und Klinikbetrieb.

Verschiedene persönliche Beispiele und Erfahrungen aus der Runde zeigten selbstkritisch auf, wie der Arztberuf zunehmend unter einer Sinnentleerung leidet, weil 80% der Arbeit am Computer stattfindet menschlicher Kontakt mit den Patientinnen und Patienten immer weniger wird. Basil Caduff brach hier eine Lanze für Änderungen in der Ausbildung, stellte den Numerus Clausus in Frage und verwies auf Anstrengungen, die bereits unternommen werden, um die Administration zu verringern. Luca Emmenegger ist davon überzeugt, dass künstliche Intelligenz künftig administrative Arbeiten übernehmen werde. Offen blieb die Frage in der Runde, ob das Ausmass an Administration ein Symptom für fehlendes Vertrauen sei.

v.l.n.r.: Ludwig Hasler, Johannes Utters, Luca Emmenegger, Susanne Hochuli, A.V. Basil Caduff, Thomas Hausheer. Foto: Thomas Müller

«Mit dem Thema Gesundheit haben wir an diesem Abend einen Nerv der Zeit getroffen, es bietet Stoff für mehrere kommende Veranstaltungen. Heute Abend wurde sehr persönlich und vertieft diskutiert. Das hat betroffen gemacht und gleichzeitig wertvolle Gedankengänge ausgelöst», schloss Thomas Hausheer, Leiter der Fachstelle Forum Kirche und Wirtschaft, den Abend ab. Der anregende Abend leistete mit Blick auf die Zukunft der Gesundheit einen wichtigen Beitrag zur Meinungsbildung.

Die nächste Veranstaltung der Fachstelle Forum Kirche und Wirtschaft findet am 12. November 2025 zum Thema Innovation und Spiritualität statt.